Sonntag, 29. November 2009

Kein schöner Land(-kreis) II

Im schönen Winterlicht leuchtet eine graue Perle von einer Stadt zwischen Hängen voll entlaubter Weinstöcke. Der Neckar schiebt sich gemächlich durch ihre Mitte. Das Winterlicht lässt die grünen Wellen nur so glitzern und lustig kreischen die Möwen dazu.
Brücken aus schönem Beton, die noch der Reichsadler ziert, überspannen den Strom, einst Lebensader Schwabens. Promenaden aus Granit und Pflasterstein säumen seine Ufer und laden zum spaziern ein. Hohe Platanen säumen die Wege und raunen dem Flaneur von grüneren Zeiten.
Auf einer der Promenaden, nah des Ufers, gegenüber von C&A, liegt ein riesiger Penis. Als Besucher ist man nicht wenig erstaunt, wenn man das riesige hölzerne Gemächt zum ersten mal erblickt. Was macht der hier?
Ist es ein Relikt aus alten Zeiten? Vielleicht ein alter, alamannischer Kraftgegenstand, der in heidnischen Ritualen gebraucht wurde um Fruchtbarkeit für die Frauen und Stärke für die Männer zu erbeten?
Oder es ist der Pimmel des Neckarwals, der, weil ein Hirnschaden sein inneres Navigationssystem durcheinander gebracht hatte, den Neckar hinauf schwamm und schließlich in Heilbronn verendete?
Oder hat ein findiger Bürgermeister das Riesending in Auftrag gegeben, ich stelle mir das so vor:

SEKRETÄR (Hubertus Hoffmann, 38, aus gutem Hause. Hatte sich das mit der politischen Karriere anders vorgestellt): „Aber Herr Bürgermeister, was wollen sie denn mit einem riesigen, äh, Penis?
BÜRGERMEISTER (Dietmar Schwanzowski, 54, CDU, umtriebiger Trollingerbaron aus
Ostschwaben): „Mein lieber Hoffmann, alles was Heilbronn noch zu einer der schönsten Städte Baden-Württembergs, ja der ganzen Republik, fehlt, ist Kunst.“
HOFFMANN: „Ja, klar. Kunst, aber Herr Bürgermeister: Ein Penis?“
SCHWANZOWSKI: „Nicht so engstirnig, Hoffmann. Überall zeigt doch jetzt jeder seinen Schwanz. Im Fernsehen, im Theater. Da wimmelt es geradezu vor Schwänzen. Und da machen wir mit. Aber nicht irgendwie. Nein, lieber Hoffmann, in Heilbronn sagen wir mit Stolz: Wir haben den größten!“
HOFFMANN: „Also ich weiss nicht. Das ist doch irgendwie billig...“
SCHWANZOWSKI: „Papperlapapp, Hoffmann. Billig ist das ganz und gar nicht. Das ist Kunst! Ich sehe es schon vor mir: „Pimmel auf der Promenade“. HA! Da freut sich auch der Literat.
HOFFMANN: „Na wenn sie meinen...“

So ähnlich könnte es sich zugetragen haben. Es ist nicht einfach rauszubekommen woher der Penis stammt. Selbst die Damen in der Touristeninformation konnten mir nicht helfen.
Wahrscheinlich ist es ganz einfach:
Mit dem dominanten Dödel werden die Leute, die tatsächlich hier her ziehen gef****.

Donnerstag, 19. November 2009

Wie wichtig du bist

Ein Mann steht vor der Kasse, seine Haare werden am Ansatz grau und sind von seiner Frau oder Tochter mit dem Nudelsieb gestutzt. Halbwegs sportlich sieht er aus, grauer Wollmantel, und trägt im linken und rechten Ohr einen kleinen Stecker, einer in der Form eines Kreuzes der andere irgendwie quadratisch.
Wer mit 20 als Mann einen Ohrring trägt probiert halt ein bißchen rum, es passt zum persönlichen Stil wie auch immer, es ist legitim. Mit 40 zeugt das ganze von Pseudocoolheit, I'm-still-Rock 'n Roll-Attitüde und schlechtem Geschmack.
Solche Leute gehen zu Rolling-Stones Konzerten.
Er hat ein herablassendes Lächeln aufgesetzt, das er wohl „herausfordernd“ bezeichnen würde, und spricht mich an.
„Herr Deininger, die Dame hat sich vorgedrängelt“.
Mit „die Dame“ meint er seine ganz offensichtlich Bekannte, mit der er sich schon gut 10 Minuten direkt vor der Kasse unterhalten hatte und der er, ganz toller Kavalier, soeben demonstrativ den Vortritt gelassen hatte.
„Nein gar nicht, ich weiss nicht wovon der Herr spricht“, sagt die Mittelstandsvertreterin im beliebigen Bürochic.
Ich bin tatsächlich kurz irritiert, hasse mich sofort dafür, ihm auch nur für ein halbe Sekunde fast auf den Leim gegangen zu sein.
„Herr Deininger“, Namensschilder sind ein Fluch, das er mich in einem Tonfall ansprechen kann der Vertrautheit suggeriert, wir kennen uns nicht, ich will ihn nicht kennen. Ich bin nicht sein Kumpel und schon gar nicht der Komparse in dem beschissenen Überlegenheits-Improvistationstheater, dass er versucht hier aufzuziehen.
„Das ist eine absolute Unverschämtheit, ich war vor der Dame da, sie müssen mich vor ihr dran nehmen“. Ich bin nicht die Mama. Sei ein Mann und regle deine Konflikte selbst, du Pussy, will ich sagen, lächle stattdessen und fange an, die Dame abzukassieren.
„Also Herr Deininger, wirklich, ich werde das der Filialleitung melden müssen“. Dann mach mal Meldung, du Advokat in eigener Sache. Ich darf nichts sagen, er ist im Vorstand der Handelsinitiative, also hält er alle Geschäfte der Stadt für seine Geschäfte. Dementsprechend sind alle Mitarbeiter dieser Geschäfte seine Untergebenen.
Und verdammt will er sein, wenn er sie das nicht spüren lässt. Überhaupt ist er uns turmhoch überlegen, an Intelligenz, Charme und simplem Durchsetzungsvermögen. Er hat es zu was gebracht. Als leitendes Mitglied der Konsumkasper dieser großen und schönen Stadt verhandelt er verkaufsoffene Sonntage und Nightshoppings, und das macht er aber auch gut. Sein Geschick wurde am letzten Sonntag offenbar, als in 5 der umliegenden Käffer auch verkaufsoffener Sonntag war und am Samstag davor „lange Einkaufsnacht“ in Stuttgart.
Wer so gut ist, kann selbstbewusst auftreten.
„Also wirklich, ich bin enttäuscht von ihnen“. Ich bin auch enttäuscht von mir. Enttäuscht von der Reihe maximal mittelmäßiger Entscheidungen, die dazu geführt haben, dass ich ihm seine Frechheiten nicht um die Ohren hauen darf. Um einen Job zu behalten, der mir ein Auskommen sichert, das mich laut „Spiegel“ und „Handelsblatt“ zur Unterschicht rechnet. Knapp über dem Mindestgehalt.
Irgendwann merkt er dann auch, dass ich nicht spielen will heute. Nachdem ich seiner Begleitung alles mit einem Gutschein für den Umtausch als Weihnachtsgeschenk verpackt habe, wobei ich 2 Päckchen noch einmal öffnen darf, weil sie doch lieber das blaue Papier hätte, zieht er ab. Er kann mich aber selbstverständlich nicht so einfach davonkommen lassen. Ich hole ihm und der Dame also noch einen Kaffee aus unserem Selbstbedienungsautomat und räume Bücher von einem Tisch, damit seine Majestät auch auf dem Sofa Kaffee trinken kann. Im Cafébereich, der eigentlich dafür vorgesehen ist, sitzt schließlich der Pöbel.
Was mich so wütend macht ist, dass ich ihm ausgeliefert bin. Solange er mich nicht persönlich beschimpft oder hangreiflich wird muss ich alles hinnehmen. Denn jeder Kunde ist eine Chance! Gerade der schwierige! Wenn sie es schaffen ihn für unser Unternehmen zu gewinnen, dann haben sie alles richtig gemacht. Ihr Lebenszweck ist dann erfüllt.
Ja denke ich. Gerne. Aber nicht für das Geld.





Zum Ende noch ein Lieblingslied. Wer mir sagen kann welches Lied von welcher Band das ist die/den lade ich zum Kaffee ein!

She shoplifts some Christmas gifts / and a bracelet for herself / and considers phoning home. / Has some quarters in her hand.
But she sits down/ on the sidewalk / and bites her bottom lip / and spends the afternoon / willing traffic lights to change.

Sonntag, 8. November 2009

Kein schöner Land(kreis) I


Freunde hatten mich gewarnt: Vor hässlichen Häusern, Menschen mit wenig Geschmack und einem Nachtleben, dass sich auf einen Club mit dem Namen einer Wundsalbe beschränkt, was ja erstmal eine nette Idee ist, aber auf die Dauer wohl auch zu wenig.
Ich bin dennoch hergezogen, einfach ins Graue hinein, wird schon nicht so schlimm werden, toi toi toi. Der Liebe und des sicheren, wenn auch übersichtlichen Gehaltes wegen.
Und während ich hier so sitze und dem bunten Treiben an einem verkaufsoffenen Sonntag zusehe, in das auch ich mich bald werfen darf, in meinem Kostüm als Tuchhändlerboy, dem freundlichen Superheld in Sakko und Oberhemd mit dem ins Gesicht gemeißelten Lächeln und dem Gemüt aus Stahl, an dem selbst die Wurstigkeiten der hiesigen Dummdreisten einfach abprallen, melden sich leise Zweifel.
Einer der Gründe dafür ist die Architektur.

Baulich gehört diese Stadt, die ich ab jetzt die „Perle am Neckar“ nennen will eindeutig zu den Verlierern des 2. Weltkriegs. Damals wurde hier alles schön mit der Brandbombe planiert und danach eilig wieder aufgebaut. Und ja, ich habe Verständnis, klar es musste schnell gehen, wir hatten ja nüscht.
Aber heute, 60 Jahre später, stellt sich mir doch eine Frage: Gabs keine anderen Farben außer Grau?
Nachdem das nötigste wieder aufgebaut war, machte man sich offensichtlich daran, die Bedürfnisse der Wirtschaftswunderkinder und der Wachstumsgesellschaft zu stillen.
Zu diesem Zweck, und um das ohnehin gelungene Stadtbild zu komplettieren, gab man dem Volk das, wonach es verlangte: Einkaufszentren.
Eines davon sieht aus als hätte der Architekt seine Kinder solange mit grauem Duplo spielen lassen, bis einer der kantigen Klumpen, die dabei unweigerlich herauskamen, statisch realisierbar war.
Dass andere ist ein Aluminium-Ufo vom Planeten Plaste-Konsumia.
Das Theater, der örtliche Musentempel, ist wieder von den Kindern des ersten Architekten mit dem Albert-Speer Gedächtnisbastelbogen im katholischen Kindergarten „designt“ worden. Freiwillig setzt da keine Muse ihren Fuß rein.
Etwa 150 Meter die Straße runter, steht übrigens ein Einkaufszentrum aus Aluminium mit Multiplex.
Da ist dann das Komödienhaus drin.

Samstag, 7. November 2009

Maschinenschlosser aus Erkenschwick

Hier eine erste Geschichte, gut abgehangen vielleicht 2 Jahre alt, oder so. Enjoy.



Maschinenschlosser aus Erkenschwick

Er saß feingerippt doch glücklicherweise
behost in der Küche und mampfte mein
Mittagessen vom Vortag. Machte nichts, ich
kochte ja gern.
„Hi“, sagte ich und schlurfte zur Kaffeemaschine. Nach ein paar geübten Handgriffen war der Kaffee auf dem Weg und ich setzte mich dem Hungrigen gegenüber.
„Du bist Svenjas neuer Freund, hm?“
„Hmschml, lssche, hmschlmpf“, antwortete er.
„Wie bitte?“
„Isch bin mehr so der lässische Typ“.
Danach sprach eine Weile nur die Maschine. Was hätte man sagen sollen.
„Und was treibst du so?“ fragte ich nach einer Weile konziliant.
„Ih Te“, kam die Antwort. Er hatte nicht von seinen -meinen!- Nudeln aufgeblickt.
„Aha... Und was genau?“
„So Computer halt, nä?“, brummte es feindselig aus dem Spaghettitopf.
Zum Glück war der Kaffee fertig. Nicht unfroh ging ich hinüber und schenkte mir ein.
„Auch ein Täßchen schwarzes Gold, äh, Thorsten richtig?“, witzelte ich lahm.
Keine Antwort.
„Thorsten?“
„Thorben. Thor-ben. Nicht Thorsten, nä?“.
„Gut. Thorben. Kaffee?“
„Das ist doch Nervengift, nä!“

Thorben war kein Kaffeefreund, soviel war klar. Außerdem war er weder groß noch blond, passte also so gar nicht in Svenjas Beuteschema, die eher dem Typ „Langhaariger Zehnkämpfer aus Südschweden“ den Vorzug gab. Thorben verkörperte eher den „Arbeitslosen Maschinenschlosser aus Erkenschwick“. Und Svenja war auch nicht gerade eine „Discoqueen aus Mönchengladbach“, die, wie ich meinte, die rheinländische Arbeiterklasse für den Beischlaf bevorzugte.
Das ganze schien mir mehr als suspekt.
„Wie habt ihr zwei euch eigentlich kennengelernt?“
„Schwoof“.
„Wie bitte?“.
„Ja tanzen, nä!“.
Kurz sah ich Svenja shakend auf der Tanzfläche einer fiktiven Großraumdisco während sich der Sozialfall an ihrem Hinterteil rieb und sie glücklich betatschte. Um nicht die Fassung zu verlieren fragte ich: „In Tübingen?“
„Nä“. Geräuschvoll klapperte die Gabel auf den Grund des Topfes. Thorben war fertig mit essen. Er lehnte sich in seinen Stuhl und... starrte. Das wurde langsam unangenehm.
Plötzlich, vollkommen unerwartet: „Student, nä?“
„Was, ich? Ja, also, ich bin schon fe...“.
„War ja klar“.
Ich ließ alle Hoffnung fahren. Er war eine Abrißbirne.
Svenja rettete mich. Sie erschien in der Küche, und erscheinen ist in diesem Fall das richtige Wort denn sie trug einen pinken Frotteeschlafanzug mit weißem Getier darauf. Svenja ist kein schmächtiges Mädchen.
Sie machte Geräusche, die Mädchen von sich geben, wenn sie Entenküken sehe, hopste zu Thorben und ließ sich in seinen Schoß plumpsen. Der Schloßer schmatzte ihr meine handgemachte Tomatensoße um den Mund. Svenja quiekte noch ein wenig, dann fragte sie:
„Na Hase, hast du dich schön mit Bastilein unterhalten?“
Thorben brummelte etwas unverständliches in ihre Halsbeuge und Svenja kicherte enthemmt. Es war klar: Wo diese Liebe hinfiel wuchs kein Gras mehr.
Die beiden schmusten unbeholfen und selbstvergessen weiter und ich ergriff die Gelegenheit mich zurückzuziehen .
Als ich die Tür meines Zimmers fast erreicht hatte, hörte ich Thorbens ersten ganzen Satz:
„Komischer Vogel, dein Mitbewohner“.

Das erste...

Huchbinichaufgeregtichmussgleichpippimachenmeinersterblogomeingottomeingott...

Dieser Blog ist für alle Menschen die gerne wissen möchten, womit ich mich so befasse (nur die Rosinen, versprochen, nicht die Einkaufslisten und die Stories, wie ich mal wieder in der Tuchhandlung Staub gewischt habe und wie ECHT staubig das war).

Es wird Geschichten geben, zum Lachen und Nachdenken, vielleicht entbrennt eine Diskussion oder vielleicht auch mal zwei.
Einige Geschichten werden vielleicht auch einfach schlecht sein. Wie dem auch sei alle Besucher sind herzlich dazu aufgefordert zu kommentieren was das Zeug hält aber:
"Find ich gut" oder "Find ich schlecht" bedürfen einer Begründung. Alles andere ist Platzverschwendung. Raus aus der Beliebigkeit.
Bei allen Kommentaren gilt: Lob ist geil aber: Kein Applaus für Scheiße! Da bin ich streng!

Alles hier geposteten Stories sind Copyright 2009 by me. Wenn ihr was damit machen möchtet, fragt mich.

Danke,

Euer Bastian